Berufen zur Heiligkeit: heilige Priester

Don Louis-Hervé Guiny

Wecken wir in uns das Verlangen nach Heiligkeit auf – nehmen wir die heiligen Priester zum Vorbild – besser noch, lassen wir uns von ihrem Beispiel leiten, denn sie führen uns hin zum Einzigen Priester, Jesus Christus.

Das Priestertum ist nicht schon an sich der Stand der Vollkommenheit, soviel steht fest. Aber bietet der Lebensstil des Weltklerus nicht einen besonderen Weg zur Heiligkeit? Als Antwort auf diese Frage haben wir Besseres als bloße Theorie: wir haben Fakten – das Leben der heiligen Priester, von heiliggesprochenen und von vielen anderen, die die Christen durch ihr Leben ermutigt haben. Es reicht schon in ihren Biographien zu blättern. Dann wird schnell klar wie prächtig die Heiligkeit in den Rängen der Diözesanpriester geblüht hat, oft mit Heldenmut gepaart.

Wir können hier auf das Wort von Franz von Sales zurückgreifen: „Nichts ist nützlicher oder schöner als die Heiligenleben. Denn zwischen dem geschriebenen Wort des Evangeliums und dem Leben der Heiligen ist kein anderer Unterschied als zwischen den Noten einer Musik und dem Gesang.“ Derselbe Heilige sagte: „Lesen Sie die Kirchengeschichte und Heiligenleben und sie werden feststellen, dass es in keinem Orden und in keiner Berufung so viele Heilige gibt wie unter den Bischöfen. Kein Stand in Gottes Kirche bietet derart viele Mittel zur Heiligung und zur Vollkommenheit. Denn der beste Weg um in der Vollkommenheit voran zu schreiten ist das Lehren, durch Wort und Beispiel – und die Bischöfe sind dazu durch ihren Stand verpflichtet.“ Dieses Wort mag uns erstaunen. Es muss freilich im Kontext des 17. Jahrhunderts gelesen werden, das heißt vor den zahlreichen Heiligsprechungen von Ordensleuten und Laien der letzten Jahrhunderte. Tatsächlich kamen zahlreiche der Bischöfe aus den Reihen der Diözesanpriester.

In der Schule der heiligen Priester lernt man den wahren sinn des Priestertums.

Die Heiligkeit im Alltag.

Vom Verlangen ein heiliger Priester zu sein

Genau diese Geschichte der „priesterlichen Heiligkeit“ soll den Seminaristen und Priestern als Beispiel dienen. Ein echtes Gespür für das Priestersein kann man nur in der Nachfolge der Heiligen erlangen. Durch ihr Beispiel kann in uns der Wunsch wachsen selber ein heiliger Priester zu werden. Und gerade in der Nachfolge der heiligen Priester wird die Heiligkeit im Priesteramt erst möglich.

Wer als Seminarist tatsächlich – effektiv und affektiv – das Priestersein schätzen und lieben will, der muss sich die älteren Brüder im Priesteramt, die schon beim Herrn sind, zu Freunden machen. Es geht darum zu verstehen, wie man mit seinem Charakter, seinen Qualitäten und seinen Schwächen, Jesus-Christus als Haupt und Hirte repräsentieren kann. Ein Seminarist mag sich angezogen fühlen von dem Sanftmut und der Ängstlichkeit des Pfarrers von Ars, ein anderer vom Drang und Wagemut von Vinzenz von Paul oder vom Humor von Philipp Neri. Jeder kann einen „großen Bruder“ finden, in den er sich hineinversetzen kann. Diese Übertragung ist entscheidend. Sie weckt das Verlangen zur Heiligkeit auf, macht es möglich und begleitet es. Gleichzeitig wird subtil das Priesterbild korrigiert, dass sich jeder aus seinen Begegnungen erstellt hat – zum Guten oder Schlechten.

Um unseren Ruf zur priesterlichen Heiligkeit zu wecken ist nichts einfacher, als eine Biographie des heiligen Vinzenz von Paul zu lesen, wenn man gerade mit seinen Mitbrüdern einen gemütlichen Alltag ohne Gefahren pflegt. Tatsächlich, die heiligen Priester wollen uns stören und in Unruhe versetzen und uns das hohe Ideal des Priestertums wieder vor Augen stellen. Man kann wohl sagen: „Sag mir nur welchen Platz du den heiligen Priestern in deinem Leben lässt und ich sage dir wie es um deinen Wunsch zur Heiligkeit bestellt ist.“ Natürlich ist das anspruchsvoll, aber etwas anderes hat Jesus uns nicht versprochen.

Deshalb scheint es wichtig, das Spezifische der priesterlichen Heiligkeit wieder hervorzuheben, durch eine bessere Kenntnis der heiligen Priester von gestern und von heute. Lesen wir über sie, beten wir zu ihnen! Die Kenntnis führt zur Zuneigung, die Zuneigung zur Ähnlichkeit, nicht äußerlich, sondern innerlich. Unsere „großen Brüder“ im Priestertum warten nur auf unser Gebet, um uns beizustehen.