Der Reichtum der Stundenliturgie

Das bevorzugte Gebet der Kirche ist die Stundenliturgie. Sie entspricht ganz der Tradition und ist zugleich eine Neuerung, sie hat sich durch die Jahrhunderte hindurch bewährt und ist gleichzeitig so aktuell wie das lebendige Wort Gottes. Außerdem besitzt sie alle Akzente eines echten christlichen Gebets…

Die Laudes am Ostertag – Priesterseminar der Gemeinschaft Sankt-Martin

Vesper in der Woche vor Weihnachten – Priesterseminar der Gemeinschaft Sankt-Martin

Das Gebet des Hohepriesters Christus

„Als der Hohepriester des Neuen und Ewigen Bundes, Christus Jesus, Menschennatur annahm, hat er in die Verbannung dieser Erde jenen Hymnus mitgebracht, der in den himmlischen Wohnungen durch alle Ewigkeit erklingt“ (Sacrosanctum Concilium, 83). Wenn alle Glieder der Kirche das Stundengebet beten, nehmen sie teil am priesterlichen Gebet Christi.

Gesang der Braut für ihren Bräutigam

„Wenn die Glieder der Kirche den Lobgesang recht vollziehen, dann ist dies wahrhaft die Stimme der Braut, die zum Bräutigam spricht“ (Sacrosanctum Concilium, 84). Wenn die Kirche die Psalmen singt, dann ist das ein Liebesgesang an ihren Bräutigam, Christus. Dieser Dialog zwischen Christus und der der Kirche wird in der Stundenliturgie repräsentiert, wenn zwei sich gegenüberliegende Chöre im Wechsel die Verse der Psalmen zusingen.

Ein Lob der Engel

Das Konzil erinnert uns: Durch die Liturgie „nehmen wir vorauskostend an jener himmlischen Liturgie teil, die in der heiligen Stadt Jerusalem gefeiert wird“ (Sacrosanctum Concilium, 8). In der Stundenliturgie vereint sich die Kirche mit dem Lob der Engel und zugleich übt sie hier auf Erden den „Dienst der Liebe“ zu ihrem künftigen Heil. Der heilige Benedikt erinnert in seiner Regel die Mönche daran, zu lernen, die Psalmen stets „in Gegenwart Gottes und seiner Engel“ zu singen.

Die Kirche im Gebet

Wenn sie in Gemeinschaft gebetet wird, offenbart sich die Stundenliturgie als das vollendete Gebet der Kirche. Die Väter, die die modernen Formen individueller Frömmigkeit nicht kannten, hatten einen ausgeprägten Sinn für die gemeinschaftliche Verrichtung des Stundengebets. Der heilige Ignatius von Antiochien sprach folgendermaßen davon: Gleichso wie der Herr, weder persönlich noch durch seine Apostel, nichts vollbringt ohne den Vater, mit dem er vereint ist, so tut auch ihr nicht ohne den Bischof und die Priester; ihr alle, müht euch, euch zu vereinigen wie ein einziger Tempel Gottes, wie um einen einzigen Altar, im einen Jesus Christus. (Brief an die Magnesier, VII).

Lob der Dreifaltigkeit

In der Rezitation der Psalmen und der biblischen Lesungen zeigt Gott das Geheimnis seiner schöpferischen, erlösenden und heiligenden Dreifaltigkeit. Im Gegenzug preist die Stundenliturgie den Vater, durch die Stimme des Sohnes, in der Gemeinschaft mit dem Geist. Deshalb fasst die Stundenliturgie jeden Psalm und jeden seiner Gesänge durch ein „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist“ zusammen.

„Mens concordet voci“

Und zuletzt: Die Wahrheit unseres Gebets wird durch die Echtheit unseres Glaubens und unserer Nächstenliebe bewiesen: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut“ (Mt 7,21). Das Stundengebet ist also „nur“ eine Form objektiven Betens, das Worte spricht, die die Kirche ausgewählt hat; und vor allem ein mündliches Gebet einer Versammlung… Welcher Platz bleibt da für die das Verlangen unseres Herzens, für den persönlichen Dialog mit dem Geliebten? Die Spiritualität der Moderne hat manchmal geglaubt, dieses Problem dadurch beseitigen zu können, indem sie das Stundengebet auf eine Pflicht allein der Priester und Ordensleute reduziert, und die frommen Seelen auf das weite Feld der individuellen Frömmigkeit verweist.

Ein besserer Weg kann sich heute eröffnen, wenn alle Christen den Schatz der Stundenliturgie wiederentdecken; sie ist unvergleichbare Meisterin des geistlichen und kirchlichen Lebens… insofern derjenige, der zur Stundenliturgie die Psalmen anstimmt, auch dem Rat des heiligen Benedikts folgen wird: „Ut mens nostra concordet voci nostræ“ – Unser Geist stimme mit unserer Stimme überein.