Die Ausbildung zum priesterlichen Zölibat

Das Charisma des Zölibats lässt, auch wenn es authentisch und geprüft ist, die Triebe des Instinkts und die affektiven Neigungen intakt. Die Seminaristen müssen also eine affektive Reife erlangen, die sie wachsam und fähig zum Verzicht macht sowie zu Wertschätzung und Respekt in den Beziehungen zwischen Mann und Frau. Die Ausbildung zur affektiven Reife der Seminaristen ist ein entscheidendes Element der Erziehung zu wahrer und verantwortlicher Liebe.

Die affektive Reife setzt voraus, dass der Seminarist sich der zentralen Rolle der Liebe in der menschlichen Existenz bewusst ist. Der Mensch kann nicht ohne Liebe leben. Sein Leben ist sinnlos, wenn er nicht der Liebe begegnet. Die recht verstandene Sexualerziehung hat das Verstehen und die Realisierung eben dieser Wahrheit zum Ziel. Eine zweite Grundvoraussetzung ist ein wahrer Wunsch, sich selbst besser kennen zu lernen.

Die affektive Reife fordert eine Erziehung zur Freiheit. Diese drückt sich im überzeugten und von Herzen kommenden Gehorsam gegenüber dem eigenen Wesen, gegenüber dem Sinn der eigenen Existenz (d.h. aufrichtige Hingabe), aus und wird so Weg und Inhalt warhaftiger Selbstverwirklichung. So verstanden fordert die Freiheit, dass die Person Herr ihrer selbst ist, entschieden, den Egoismus zu bekämpfen und zu überwinden, stets bereit, sich für den Nächsten zu öffnen, grosszügig im Dienen. Das Gemeinschaftsleben ist ein privilegierter Rahmen um die Mitbrüder zu lieben und – zuallererst – sich in Wahrheit kennen zu lernen. Die geistliche Begleitung, eventuel durch eine psychologische Begleitung erweitert, gibt jedem Seminaristen einen Ort, wo er frei über sein Leben, seine Identität, seine Stärken und Schwächen sprechen kann. So kann er dann das Versprechen des Zölibats ablegen, wissend, worauf er sich einlässt.

Gott in der inneren Sitlle begegnen.

Die affektive Reife ermöglicht wahre Freundschaft.

Die Liebe in Tat und Wahrheit im Gemeinschaftsleben lernen

Die affektive Reife findet schliesslich eine solide Stütze in einer Erziehung zu warhaftiger Freundschaft zwischen Mitbrüdern, aber auch mit Frauen, nach dem Vorbild der geschwisterlichen Zuneigung, die Christus selbst gelebt hat. Diese Freundschaften ermöglichen ebenfalls, die Authentizität der eigenen Reife und Entscheidung zu prüfen. In einem wirklich gemeinschaftlichen Leben können die Seminaristen den Wert echter brüderlicher Gemeinschaft erfahren und den Egozentrismus oder Oberflächlichkeit in den Beziehungen überwinden.
Diese Schule des Gemeinschaftslebens erfordert aber auch Einsamkeit und Stille : Nur in der Intimität mit Gott allein kann man die Kraft schöpfen, den Nächsten nicht nehmend sondern gebend – d.h. keusch – zu lieben.

Dieser menschliche Reifeprozess ist ein wichtiger Beitrag zur Vorbereitung auf den Zölibat. Die Seminaristen werden fähig, ganz Mann zu sein, sich Christus und seiner Kirche hinzugeben. Im letzten können sie aber nur in der geistlichen Freundschaft mit Christus, die sie von Tag zu Tag vertiefen, die Sehnsucht und die Kraft finden, wie der Gute Hirte zu leben – und mit Ihm.