Der Sinn des priesterlichen Zölibats

Das Festhalten der lateinischen Kirche an der Regel des priesterlichen Zölibates wird oft missverstanden. Warum behält die Kirche diese Disziplin bei? Was ist ihr Sinn? Wie können Jugendliche sich heute darauf vorbreiten? Wir wollen im Folgenden einige Ansätze einer Antwort im Lehramt und in der Praxis der Kirche schöpfen.

Der Zölibat: ein überholtes kirchliches Gesetz?

Die Aussage, dass der Zölibat „nicht durch die Natur des Priestertums erfordert ist“ (2. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum Ordinis n°16), wurde oft dafür benutzt, um aus dem Zölibat eine rein disziplinäre Frage zu machen. Er sei nur ein Zwang, den die lateinische Kirche den Priestern auferlegt, ein Zwang, der angesichts der heutigen Mentalität und des Priestermangels immer unverständlicher werde. Diese – von den Medien geförderte – Art, die Dinge darzustellen, wird den wahren Motiven nicht gerecht, die die Kirche animieren, wenn sie davon spricht, dass „der Zölibat für das Priestertum auf vielfältige Weise angemessen ist.“ (ibid. PO 16)

Der Zölibat – die Wahl eines ganz Gott geschenkten Lebens.

Der Zölibat ist dem Priestertum auf vielfältige Weise angemessen.

Die wahre Grundlage des Zölibats

Wer die vollkommene Verfügbarkeit für die Mission als Motiv für den Zölibat anführt, trifft schnell auf Einwände. Verheiratete Leute könnten sehr verfügbar sein und zölibatäre Priester nur sehr wenig, so sehr seien sie mit sich selbst beschäftigt. Die wahre Grundlage des Zölibates liegt woanders.

Diese Grundlage besteht in der Konsekration, d.h. Weihe, eines ganzen Lebens für Christus. Der Priester verkündet die Frohe Botschaft vom Reich Gottes wie jemand, der sich nicht fürchtet, die Freuden der Ehe und der Familie zu opfern, um für seinen Glauben an die unsichtbaren Wirklichkeiten Zeugnis abzulegen. Von Christus ergriffen, wird der Priester „der Mensch für die Anderen“, vollkommen verfügbar für das Reich Gottes, mit ungeteiltem Herzen, fähig die Vaterschaft in Christus zu empfangen. Der Zölibat ist ganz und gar nicht am Rande des priesterlichen Lebens; er zeugt von einer Liebe, die geformt ist nach der Liebe, mit der Christus seinen und unseren Vater, seine und unsere Kirche und alle Menschen liebt. Diese Art, in und durch den Zölibat zu lieben, ist die Sprache der Selbsthingabe, deren vollkommenes Symbol stets das Kreuz Christi bleibt. Wie für Christus, ist der Verzicht im Zölibat nicht an erster Stelle. Der Zölibat ist zuerst Ausdruck, Zeichen und Konsequenz, der Sehnsucht, sich hinzugeben.  Schlussendlich ist das wahrhafte Motiv des geweihten Zölibats „die Wahl einer intimeren und vollkommeneren persönlichen Beziehung zum Geheimnis Christi und der Kirche, zum Wohle der ganzen Menschheit“ (Paul VI, Enzyklika Sacerdotalis cœlibatus n°54).

Der Zölibat : ein frei zu wählendes Charisma

Es ist einer der großen Schätze des 2. Vatikanischen Konzils und der Reflexion der letzten Päpste, den Zölibat nicht nur als Gesetz, sondern zuerst als ein Geschenk darzustellen, als ein tief mit der Berufung und der Weihe verbundenes Charisma: „Unter den evangelischen Räten steht an erster Stelle diese wertvolle Gnadengabe, die der Vater Manchen schenkt (Mt 19,11; 1Kor 7,7), sich leichter und mit ungeteiltem Herzen Gott allein im Zölibat zu weihen. Diese vollkommene Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen wurde von der Kirche immer besonders in Ehren gehalten als Zeichen und Antrieb für die Liebe und als eine besondere Quelle geistlicher Fruchtbarkeit in der Welt“ (Johannes Paul II, Pastores dabo vobis n°29).

Dieses Geschenk der Berufung zur Keuschheit im Zölibat erfordert folglich eine angemessene Vorbereitung: Die Seminaristen sind eingeladen, dieses Geschenkt Schritt für Schritt zu empfangen, um ihr ganzes Leben als Priester treu davon zu leben. Da der Zölibat das ganze Wesen betrifft, muss die ganze Person mit ihren verschiedenen Dimensionen in der Ausbildung zum Zölibat beachtet werden. Das erfordert gleichzeitig eine menschliche, psychologische, spirituelle und theologische Ausbildung.

Papst Franziskus über den Zölibat

Die Kirche muss anziehend sein. Weckt die Welt auf! Seid Zeugen einer anderen Art, die Dinge zu tun, zu handeln, zu Leben!

Es ist möglich, in dieser Welt anders zu leben. Man spricht von einem eschatologischen Blick, von den hier, auf dieser Erde fleischgewordenen Werten des Reiches Gottes. Es geht darum, alles hinter sich zu lassen und dem Herrn zu folgen.

(Papst Franziskus zu den Generaloberen der Orden, 2013)