Was ist ein Priester ?

„Das Priestertum ist die Liebe des Herzens Jesu“

Am 19. Juni 2009, Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu, hat Benedikt XVI ein Priester-Jahr, um „ein Engagement innerer Erneuerung aller Priester zu fördern, damit ihr Glaubenszeugnis stärker und überzeugender wird. Um so die Gabe des Priestertums, das die Priester empfangen haben, für einen fruchtbareren Dienst zu erneuern, hat Papst Benedikt XVI das Priester-Jahr unter das Patronat des heiligen Jean-Marie Vianney (Pfarrer von Ars) gestellt. Wir wollen versuchen, der Pädagogik Benedikt XVI in dieser Hinsicht nachzugehen und die starken Intuitionen und Überzeugungen über das Priestertum herausarbeiten, die er der Kirche geschenkt hat.

Man konnte vom Papst erwarten, dass er Ratschläge gibt, wie man seinen Dienst besser lebt. Er hat das aber erst in einem zweiten Schritt gemacht. Zuallererst lädt Benedikt XVI uns zu einer Betrachtung über die Identität des Priesters ein. Der berühmte Satz des heiligen Pfarrer von Ars, der das Priestersein als „Liebe des Herzens Jesu“ definiert, hat einen vorrangigen Platz im Denken Benedikt XVI. Das Tun und der Lebensstil des Priesters lassen sich aus dieser Identität ableiten. Anders gesagt, die Mission der Priester kann nur im Geheimnis ihrer sakramentalen Weihe verstanden werden. Der Priester findet seine wahrhafte Identität in seiner Teilhabe am einzigen Priestertum Christi, des einzigen Priesters des Neuen Bundes : er ist ein lebendes Abbild Christi, dessen Mission er fortführt. Das Priestertum Christ stellt in seiner absoluten Neuheit in der Heilsgeschichte die einzige Quelle und das Paradigma des christlichen Priestertums dar. Der Bezug auf Christus ist so der unbedingt notwendige Schlüssel zum Verständnis der Wirklichkeit des Priestertums.

Das Priestertum wiederbeleben.

Ein liebevolles Unterordnen unter Seinen Willen.

Das Priestertum : Herz Christi

Betrachten wir also mit Benedikt XVI. das Priestertum Christi : « In Jesus fallen die Person und die Sendung zusammen : sein ganzes Heilswirken ist Ausdruck seines „sohnhaften Ichs“, das seit aller Ewigkeit in einer Haltung der liebevollen Unterordnung unter Seinen Willen vor dem Vater steht ». Hier erscheint klar, dass das Priestertum Jesu zuerst in seiner theozentrischen Dimension betrachtet wird. Jesus ist auf seinen Vater hin ausgerichtet. In der Intimität des Gebetes und der Stille tritt Jesus also in den Willen seines Vaters ein. Seine Mission bei den Menschen ist nur die Verlängerung seines Gebetes, d.h. seiner sohnhaften Beziehung zu seinem Vater. Jesus betet und wirkt in vollkommener und homogener Kontinuität. Er schenkt seinem Vater seine Zeit und gibt sich ganz den Menschen hin, die zu retten er gekommen ist. Die Wirksamkeit seines Dienstes wurzelt in der Abhängigkeit, die er seinem Vater gegenüber im Gebet lebt. Diese Abhängigkeit ist die Seele seines ganzen priesterlichen Wirkens.

In seiner Predigt zur Vesper des Allerheiligsten Herzens Jesu schenkt Benedikt XVI uns eine sehr schöne Betrachtung über die Seele des Dienstes Jesu : « Das Herz Gottes erbebt vor Mitleid ! Heute, am Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu schenkt uns die Kirche dieses Geheimnis zur Betrachtung, das Geheimnis des Herzens eines Gottes, der sich anrühren lässt und seine ganze Liebe über die Menschen ausgiesst. »

Der Priester : ein anderer Christus

Mit Benedikt XVI verstehen wir besser die Bewunderung die die Reflexion über die Identität des Priesters hervorruft, der durch seine sakramentale Weihe Chrisus, dem Haupt und Hirten der Kirche, gleichförmig wird. Diese Identität bekräftigt der Heilige Vater mit Kraft und Feinfühligkeit. Wenn er über die Priester und ihren Dienst spricht, kommt er immer wieder auf die Frage nach ihrer Identität zurück und erinnert sie an das Band, das sie in ihrme Wesen mit Chrisus vereint. Das gesamte Leben der Priester  hängt davon ab, wie sie ihre Identität annehmen. Der Platz, den der Papst dem heiligen Pfarrer von Ars in seinem ‚Brief an die Priester‘ gibt ist bezeichnend : Ohne ein Spezialist zu sein, hat der Pfarrer von Ars mit seinen Worten die ganze Grösse des Priestertums ausgedrückt :  « Das Priestertum ist die Liebe des Herzens Jesu. » Benedikt XVI lädt die Priester ein, in diese Perspektive einzutreten.
Die empfangene Gabe soll die Priester in Staunen versetzen : « Im Brief den ich den Priestern geschrieben habe, wollte ich hervorheben, was in der Existenz dieses demütigen Priesters am meisten glänzt : seine totale Identifizierung mit seinem Dienst. Er sagte gerne, dass „ein guter Hirte, ein Hirte nach dem Herzen Gottes, der grösste Schatz ist, den der liebe Gott einer Pfarre gewähren kann und eines der wertvollsten Geschenke der göttölichen Barmherzigkeit“. Und, als könnte er nicht an die Grösse der Gabe und der Pflicht glauben , die einer armen, menschlichen Kreatur anvertraut wurden, seufzte er :“Oh ! Was für etwas Grosses ist der Priester doch ! Wenn er verstehen würde, was er ist, würde er sterben… Gott gehorcht ihm : Er sagt zwei Worte und der Herr steigt vom Himmel herab und schliesst sich in einer kleinen Hostie ein.“ Dieses Paar ‚Identität-Mission‘ betrachtend, kann jeder Priester besser die Notwendigkeit dieser Identifizierung mit Christus empfinden, Garant seiner Treue und der Fruchtbarkeit seines Glaubenszeugnisses » (Audienz vom 1. Juli 2009). Der Papst fährät fort : « Wenn man das Paar Weihe-Mission nicht beachtet, wird es wahrhaft schwierig, die Identität des Priesters und seines Dienstes in der Kirche zu verstehen. Tatsächlich, wer ist der Priester, wenn nicht ein bekehrter und vom Geist erneuerter Mensch, der von seiner persönlichen Beziehung zu Christus lebt und sich ständig die Kriterien des Evangeliums aneignet ? Wer ist der Priester, wenn nicht ein Mann der Einheit und der Wahrheit, seiner Grenzen bewusst, aber auch der Grösse seiner Berufung, d.h. jene, zur Ausbreitung des Reiches Gottes bis zu den Enden der Erde beizutragen ? Ja, der Priester ist ein Mann, der vollkommen dem Herrn gehört, denn Gott selbst hat ihn berufen und ihn in seinen apostolischen Dienst eingesetzt. Und genau indem er vollkommen dem Herrn gehört, gehört er vollkommen den Menschen, ist er vollkommen für die Menschen da. » Vor jeder Überlegung über das Tun des Priesters, insistiert Benedikt XVI also auf dieser Identifizierung mit  und Repräsentation von Christus durch den Priester. Man könnte sagen, dass die Priester nicht sosehr darüber nachdenken sollten, was sie tun sollen, sondern mehr darüber was sie sein sollten : « Die Mission jeden Priesters hängt also auch und vor allem von seinem Bewusstsein über die sakramentale Realität seines neuen Wesens ab. Der immer neue Enthusiasmus des Priesters für die Mission hängt von seiner Gewissheit über seine Identität ab, die er nicht künstlich aufgebaut, sondern umsonst von Gott empfangen und gehört hat. » Benedikt XVI unterstreicht eine Folge dieser Identifizierung des Priesters mit Christus. Durch seine Priesterweihe gehört der Priester nicht mehr sich selbst. Er ist den Dingen des Herrn geweiht und das Geschenk des Priestertums ist ihm gegeben, um in persona Chrisi zu handeln und zu sprechen : «  In den Sakramenten wird auf dramatische Weise sichtbar, was Priestersein im Allgemeinen bedeutet : das was wir mit unserem ‘adsum’ (‘hier bin ich’) in der Priesterweihe ausgedrückt haben : ich bin hier, damit Du über mich verfügen kannst. Wir stellen uns Dem zur Verfügung, der für uns Alle gestorben ist, damit das Leben der Lebenden nicht mehr auf sie selber ausgerichtet ist (2 Kor 5,15). Uns Christus zur Verfügung zu stellen bedeutet, uns in sein « für Alle » mit hineinziehen zu lassen und mit ihm zu sein. » (Predikt Benedikt XVI. In der Chrisammesse 2008)

Das Priestertum ist die Liebe des Herzens Jesu.

Der Priester muss Christus als Kleid anlegen.

« Sich von Christus erobern lassen »

Diese Aufmerksamkeit auf die Identität des Priesters macht verständlich, warum Benedikt XVI so sehr auf der existentiellen Gemeinschaft insistiert, die der Priester mit Christus aufbauen muss. Sie ist der neuralgische Punkt der ganzen priesterlichen Spiritualität. Das geistliche Leben der Priester ist also nichts Anderes als ein Weg der Aneignung ihrer neuen Identität, um besser ihre Mission zu erfüllen. Das ist der Preis für die göttliche Wirksamkeit ihres Dienstes. « Sich von Christus erobern lassen », « Christus als Kleid anlegen », « in einer existentiellen Gemeinschaft mit Christus sein », sind einige der starken Ausdrücke des Papstes, um die Priester zur Heiligkeit zu rufen. Ohne zu vergessen, dass der Priester sich durch und in seinem Dienst heiligt, möchte der Heilige Vater eine zu funktionalistische Sicht auf den priesterlichen Dienst korrigieren. Ja, die Priester heiligen sich in ihrem Dienst, aber unter der Bedingung, dass sie in einer « existentiellen Gemeinschaft mit Christus » im Heiligen Geist bleiben. Darum insistiert Benedikt XVI so sehr auf dem Platz des Gebetes.

Kurz, « es geht selbstverständlich nicht darum, zu vergessen, dass die substantielle Wirksamkeit des priesterlichen Dienstes unabhängig von der persönlichen Heiligkeit des Priesters bleibt ; aber man kann auch die ausserordentliche Fruchtbarkeit leugnen, die aus der Begegnung zwischen der objektiven Heiligkeit des Dienstes und der subjektiven Heiligkeit des Dieners hervorgeht. » (Benedikt XVI. Brief an die Priester) Diese subjektive Heiligkeit des Dieners ist für den Priester also nichts Anderes als die Aneignung und Entfaltung dessen, was er im Keim schon in der Weihe empfangen hat : seine Gleichformung mit dem Priestertum Christi. Seinen Blick und sein Herz immer mehr auf das Herz Christi richtend wird der Priester für die Menschen wahrhaft ein sichtbares Zeichen der Liebe Christi zu den Menschen. Bitten wir also mit Benedikt XVI den Herrn, « dass er das Herz jeden Priesters mit dem Feuer jener Hirtenliebe entflammen möge, die fähig ist, sein persönliches « Ich » an das priesterliche « Ich » Jesu anzugleichen, auf dass er Ihn in vollkommener Selbsthingabe imitiere. »