Die Gemeinschaft Sankt Martin : Wahl des Herzens oder der Vernunft ?

Seit langem hören wir die Frage : « Was führt die Jugendlichen in eure Gemeinschaft ? » Inspiriert von dem, was die Eintretenden über ihre eigenen Motive sagen, wollen wir einen Erklärungsversuch wagen… Listen wir also die hauptsächlichen Motive auf, die die Seminaristen zur Wahl der Gemeinschaft Sankt Martin geführt haben, wohl wissend, dass diese Liste nicht vollständig sein kann und dass die wichtigsten Motive des Herzens nicht immer die erstgenannten der Vernunft sind.

Der Ruf Christi und die Begegnung mit der Kirche, mit einer Familie

Wenn auch so demütig wie möglich, wagen wir uns doch es auszusprechen : Wenn heute junge Männer in die Gemeinschaft Sankt Martin eintreten, liegt das daran, dass Christus es will. Das ist der fundamentale Grund – es geht also nicht um Verdienst oder erfolgreiche Werbung. Die Gemeinschaft Sankt Martin bildet heute zukünftige Priester für die Kirche aus, weil Jesus Christus sich in dieser Institution Diener formen will. Er ist es, der sie ruft und der Gemeinschaft Sankt Martin anvertraut. Monsieur l’Abbé Guérin, Gründer der Gemeinschaft, war sich dessen immer bewusst. Er hat sich immer als ein Werkzeug unter vielen anderen betrachtet, dessen Gott sich für diese spezielle Ziel bedient. Dieses Werk Gottes war und bleibt in erster Linie eine Frucht des Wirkens des Heiligen Geistes. In ihrem Ursprung wie heute wollte die Gemeinschaft diesen Blick des Glaubens durch den Gehorsam und die Eingliederung in die Kirche bewahren.

Ganz in der Logik der Menschwerdung Christi wächst für einen Christen der Ruf Christi, in unsere Gemeinschaft einzutreten, in der Begegnung mit Priestern, die eine spürbare Liebe für das Priestertum und die Kirche haben. Das sagen alle Seminaristen : eine klare priesterliche Identität, Liebe zum Heiligen Vater, Gelehrigkeit gegenüber dem Lehramt erwecken und fördern diesen Wunsch der Kirche zu dienen. Auch der familiäre Geist, der in der Gemeinschaft herrscht öffnet die Herzen für das Geheimnis der Kirche : Die sichtbare Freude, Gastfreundschaft, eine realistische Menschlichkeit oder die ausgelebte Männlichkeit helfen dem Berufenen, der bei uns in Evron eine Einkehr macht, zu entdecken, dass er den Seminaristen ähnelt, dass er werden kann wie sie, d.h. dass er sich als Mensch entfalten kann, indem er Priester wird. Diese Erfahrung passt gut zu einem der wichtigen Grundsätze unseres Gründers : « Bevor man jemanden zum Priester macht, muss man aus ihm einen unkomplizierten, freien und verantwortungsbewussten Mann machen. » In eine Familie mit ihrem Geist und ihrer Identität einzutreten, ermöglicht eine Perspektive der Hoffnung, umso mehr, wenn die verschiedenen Generationen sich in dieser Familie gut zu entfalten scheinen. In einer Welt, in der viele Angst haben, Entscheidungen zu treffen und sich zu binden, ist der familiäre Geist eine vorzügliche Einladung zum Vertrauen.

Dieser Geist wird durch das gemeinsame liturgische Leben aufgebaut und gefördert. Gott ernst nehmen, ohne sich selbst ernst zu nehmen und treu das tun, wozu die Kirche uns auffordert. Diese Devisen umschreiben unsere Art, die Liturgie zu leben. Dank ihrer Schönheit und Nüchternheit schafft unsere Liturgie einen sakralen Rahmen, der all jene stärkt, die bei uns einkehren : die Liturgie gibt Frieden und Sicherheit, erhebt die Seele und führt die Berufenen dazu, Ja zu sagen. Die tägliche Eucharistiefeier erscheint wahrhaft als die Quelle und der Höhepunkt des Lebens unseres Seminars.

Die Gemeinschaft im Dienst der Kirche.

Die Gemeinschaft bildet Priester aus.

Leben wie die Apostel.

Leben wie die Apostel

Wie unser Name sagt, wählt man Sankt Martin auch, um in Gemeinschaft zu leben. Wer sich in einer Phase der Unterscheidung befindet und versucht sich die Zukunft vorzustellen, sieht sich oft eher in einer gemeinschaftlichen Form, den priesterlichen Dienst zu leben, als allein. Dieser positive Wunsch des gemeinsamen Dienstes ist oft mit der Angst vor der Einsamkeit vermischt und muss im Laufe der Ausbildung von dieser Angst gereinigt werden, denn es gilt, sich der Einsamkeit zu stellen. Das ist der Preis dafür, dass die Entscheidung für das Gemeinschaftsleben ihren Wert und Sinn hat : Den kirchlichen Dienst so zu leben wie die Apostel. Ausserdem findet der grosszügige Wunsch, sich bedingungslos hinzugeben, eine realistische Ausdrucksform in der apostolischen Dynamik, die durch die Mobilität der Priester und die Verschiedenheit der Dienste entsteht. Die Seminaristen verlassen die Welt, ihre Familie, Freunde,  Arbeit oder Studium und zieht sich zurück, um seine Freundschaft mit Christus uns mit seinen zukünftigen Mitbrüdern zu vertiefen. Manche sagen, wir leben wir Ordensleute. Ich habe nicht den Eindruck. Wir versuchen einfach nur, auf die Einladung des 2. Vatikanischen Konzils zu antworten, das die Weltpriester dazu aufruft, eine Form gemeinschaftlichen Lebens anzunehmen. Wer sich entscheidet, definitiv in die Gemeinschaft einzutreten, muss wissen, worauf er verzichtet. Und er tut es im Bewusstsein, dass diese Opfer ihren Sinn in der Suche nach Heiligkeit und nach einer konkreten Nachfolge des Lebensstils Christi und der Apostel haben.

Eine geerbte und weiterzugebende Alchimie

So sehr Christus derjenige ist, der manche ruft, in die Gemeinschaft einzutreten so sehr ist im Letzten die Kohärenz und Einheit der Ausbildung eine entscheidende Anziehungskraft. Die Seminaristen, die sich für unser Seminar entschieden haben, wollen einfach Christus und der Kirche dienen und dabei spüren, dass sie sich als Mensch, Christ und Priester entfalten kann. Sie spüren, dass sie in eine Familie eintreten, in der Vertrauen und eine positive Grundhaltung essentielle Bedingungen für die Ausbildung sind.

Liebe zum Priestertum, Liturgie, Gemeinschaftsleben, Gehorsam gegenüber dem Lehramt im Studium sind die Elemente die diese « Alchimie » ausmachen, die wir von unserem verstorbenen Grunder geerbt haben und die den Erwartungen vieler Jugendlicher von Heute zu entsprechen scheint.

Ein Geist zum Weitergeben.